Analyse der Probleme im Cranio-mandibulären System

 

Bei der craniomandibulären Dysfunktion (CMD) werden viele wichtige Komponenten untersucht:

  • die Zahnstellung einzelner Zähne mit Vorkontakten, Fehlbelastungen und Störungen sind primäre Störungen des CMS
  • das Zusammenwirken der oberen und unteren Zahnreihen (Okklusion), bestimmt durch die Lage des Unterkiefers und die Bewegungen bei Öffnen, Schließen, Kauen und Sprechen mit Schlifffacetten, Abrasionen und Erosionen
  • die Kaumuskulatur und ihre Fascien, die sehr viele Körperwahrnehmungs-Erfassungselemente besitzen
  • die Strukturen des räumlich getrennten Kiefergelenks mit 2 Gelenkpfannen und Gelenkbahnen, 2 Gelenkköpfchen und den dazwischen liegenden Gelenkknorpeln sowie den Kapseln und Bändern
  • die Hals- und Rückenmuskulatur wegen der Verspannungen und Kompensationsfunktionen
  • die Kopfgelenke, ihre Symmetrie und Beweglichkeit in Funktion und Ruhe
  • die Einflüsse von Augen und dem Gleichgewichtsorgan des Ohres
  • die neurologisch bedingten Einflüsse aus peripheren und zentralen Bereichen
  • die Einflüsse von Beinlängendifferenzen, Beckenschiefstand und Wirbelsäulenveränderungen
Die Komponenten werden durch unterschiedliche Untersuchungsverfahren mit manueller, energetischer, instrumenteller, röntgenologischer, magnetresonanztomographischer und elektrophysiologischer Untersuchungstechnik nach der jeweiligen Indikation eingeschätzt.

 

Klinische und kieferorthopädische Befundanalyse


Zahnfehlstellungen werden von der funktionellen Anatomie als primäre Störungen und Ursache für Schmerzen im CMS angesehen. Sie können durch Achsenanomalien, Rotationen, Fehlbildungen und Niveauunterschiede störend wirken und Folgereaktionen auslösen.
Aber auch die Schmerzprojektion von Triggerpunkten aus der vorderen Schläfenmuskulatur kann Zahnschmerzen an gesunden Zähnen im oberen Frontzahnbereich auslösen, während Triggerpunkte in den Wangenkaumuskeln Schmerzen in die gesunden Molaren projizieren können. Die Lagebeziehungen zwischen Zähnen, Kiefer und Schädelskelett sind wichtig. Mit kieferorthopädischen Mitteln können Zahnfehlstellungen unter funktionellen Bedingungen biologisch optimiert eingeordnet werden, wobei der Achsenneigung der oberen Molaren eine sehr große Bedeutung zukommt. Eine energetische Prüfung der Auswirkung auf das Zusammenspiel der Funktionsketten wird vorgenommen.

 

Funktionelle Prüfung des Bewegungsablaufs und der Ruhefunktionen


Bei der Funktionsanalyse der Bewegungen des Unterkiefers werden Mundöffnung und Unterkiefergrenzbewegungen in Funktion und Belastung, Sprach- und Schluckfunktion, Kopf- und Körperhaltung, sowie die Muskulatur im Hals-Nacken- und Schulterbereich und oberen Rücken untersucht. Die ganzheitliche Prüfung der Muskulatur des Achsenorgans dient der Feststellung, ob eine aufsteigende Dysfunktion oder eine absteigende Dysfunktion oder eine Kombination beider besteht. Da ca. 45% der den Körper kontrollierenden Eigenimpulse (propriozeptive Impulse) aus den Kopfgelenken bis zum 3.Halswirbel kommen, wobei davon 2/3 der Impulse aus dem Kiefergelenk und seiner Muskulatur stammen, die vom Trigeminus- Nerv versorgt werden, lässt sich einschätzen, wie wichtig diese Gelenke für die Funktion des Gesamtorganismus sind.

 

Prüfung der Muskel- und Fascien- Triggerpunkte in Kau-, Gesichts- und Halsmuskulatur


Für alle Bewegungen sind Muskeln mit ihren Fascien notwendig. Besonders für die Kaumuskulatur gibt es im Gehirn gespeicherte neuromuskuläre Bewegungsprogramme für die motorische Steuerung, die aber auch willkürlich gesteuert werden können. Die Kaumuskeln unterscheiden sich sehr stark von der Skelettmuskulatur, da innerhalb eines Muskels kleine unterschiedlich aktivierbare Muskelgruppen vorhanden sind, die so sehr differenzierte und feinstabgestimmte Bewegungen innerhalb eines Muskels durchführen können Das perfekte Zusammenspiel von Kiefergelenk, Kieferöffnungs- und -schließmuskulatur, von Zungen-, Schlund- und Nackenmuskulatur, den Zähnen mit ihren Zahnhalteapparat, den Kopf- und Nackenbewegungen wird durch viele Regelkreise gesteuert. Dazu sind Erfassungselemente (Rezeptoren) für Bewegung, Druck und Spannung, Temperatur, Schmerz u.a. im Zahnhalteapparat eines jeden Zahnes, an den Nerven und in der Muskulatur notwendig. Jeder einzelne Zahn, jeder Muskel und die Fascien sind also als Messelemente mit einer Empfindlichkeit im Mikrometerbereich zu betrachten, was die Bedeutung von Fehlstellungen deutlich macht. Störfaktoren in diesen Regelkreisen werden durch andere Anteile dieses Regelkreises versucht zu kompensieren. Wenn dies die Toleranzbereiche überschreitet, werden direkte Schmerzmeldungen und Meldungen durch die Rezeptoren ausgelöst, zentral interpretiert und als Gegenreaktion werden veränderte Bewegung, Schonhaltung, Ruhigstellung und Funktionseinschränkung eingeleitet. Wenn diese Situation über einen längeren Zeitraum besteht, wird die Schmerzempfindung chronisch und verselbständigt sich. Während man früher von einer Zeitspanne von ca. 6 Monaten bis zum chronischen Verlauf der Schmerzzustände ausging, hat sich herausgestellt, dass dies bereits viel früher eintreten kann, so dass akute Schmerzen recht schnell und konsequent behandelt werden sollen.

 

Strukturelle Prüfung der CMS-Strukturen


Die einzelnen Anteile des Kiefergelenks mit Lage und Beweglichkeit des Diskus, der Kapsel, den Bändern und den Weichteilen werden unter Kompression und in Entlastung in verschiedenen funktionellen Situationen geprüft. Die Ermittlung eines reproduzierbaren individuellen Belastungsvektors und die Feststellung von eventuell vorhandenen Restriktionsvektoren stehen als weitgehend die Therapie bestimmende Untersuchungen im Vordergrund.

 

Gleichgewichtssinn


Die Testung des Gleichgewichtssinns zeigt, ob ein exakter Funktionsablauf möglich ist oder eine zusätzliche Beeinflussung durch Störungen des Gleichgewichtssinns bestehen. Über Funktionen der Muskulatur wird geprüft, ob das Gleichgewicht beim Einbeinstand und die Richtung beim forcierten Laufen mit verdeckten Augen gehalten werden kann.

 

Augenfehlsichtigkeit


Eine Winkelfehlsichtigkeit kann ebenso wie Kurz- und Weitsichtigkeit die Exaktheit der Bewegungsabläufe beeinflussen und zu wesentlich geringerer Leistungsfähigkeit in der Schule führen. Sie kann mit Schnelltest und ausführlicher augenoptischer Untersuchung ermittelt werden.

Die komplexe Erfassung der Beschwerden ist oftmals sehr schwierig und die Patienten durchlaufen häufig einen langen, teuren und nicht immer effektiven Weg durch die Fachgebiete. Aus diesem Grund ist die mit Sachkenntnis ausgerichtete gezielte Suche nach den auslösenden Faktoren eine der wichtigsten Aufgaben des Erstbehandlungsteams, damit alle weiteren Maßnahmen gezielt und effektiv eingesetzt werden können.


Die Therapie gliedert sich in mehrere Schritte und hat mehrere langfristige Ziele:

  • Schmerzfreiheit
  • Normalisierung des Muskeltonus und der Muskelfunktion
  • Vermeidung von Para- und Dysfunktionen
  • Harmonische Stabilisation des Zusammenbisses durch biologisch optimierte Kieferorthopädie- oder Prothetik- Maßnahmen
Diese Zielstellungen sind in schwierigen Fällen erst langfristig zu erreichen und können durch dauerhafte Veränderung der Okklusion aufwändig und kostenintensiv werden, wenn die Betonung auf langfristig und dauerhaft gelegt wird. Kurzfristig erreichte Schmerzfreiheit kann nicht die einzige Zielstellung sein, da sich ohne dauerhafte Stabilisierung und funktionelle Adaptation die Beschwerden wieder einstellen. Helfende Begleittherapien, wie Lymphdrainagen, Tens, Biofeedback, Magnetfeldtherapie, Akupunktur, Craniosacraltherapie, Atemtherapie und progressive Muskelentspannung nach Jacobson können sehr nützlich bei der Erreichung der Schmerzfreiheit sein, müssen aber mit langfristig wirkenden Konzepten ergänzt werden. Besonders ist auf Körperhaltung zu achten.